DE / EN

Das Zusammenspiel von Teamanreizen und individuelle Anreizen im Vertrieb

Wie können Managerinnen und Manager sowohl Teamanreize als auch individuelle Anreize einsetzen, um eine unterstützende und leistungs­starke Salesforce zu fördern?

Eine Zusammenfassung der Publikation “Coopetition” in the presence of team and individual incentives: Evidence from the advice network of a sales organization” von Christian Homburg, Theresa R. Schyma, Sebastian Hohenberg, Yashar Atefi und Robin‑Christopher M. Ruhnau.

Einem Bericht aus dem Jahr 2018 zufolge verbringen Arbeitnehmer­innen und Arbeitnehmer in den USA im Durchschnitt 5,3 Stunden pro Woche damit, Rat von Kolleginnen und Kollegen einzuholen. Dieser Bedarf an Informations­austausch ist besonders wichtig im Vertrieb, da es im Verkaufsprozess viele Unwägbarkeiten zu bewältigen gibt.

Studien zeigen, dass die Bedeutung der Netzwerke im Vertrieb, d. h. wie viele Ratschläge sie Kolleginnen und Kollegen geben und von diesen erhalten, in den letzten Jahrzehnten erheblich zugenommen hat. Gleichzeitig ist die Stärke der individuellen Leistung für die Rentabilität weniger entscheidend geworden.

Managerinnen und Managern, die die Produktivität ihrer Vertriebsmitarbeitenden steigern wollen, stehen zwei Instrumente zur Verfügung: individuelle Anreize und Teamanreize. Ersteres ist eine Möglichkeit, die Rivalität unter Vertriebsmitarbeitenden im Team durch wettbewerbsfördernde Praktiken wie Verkaufswettbewerbe, Bench-Programme oder Belohnungen und Prämien für Mitarbeitende mit höherer Leistung zu fördern.

Während dies in vielen Vertriebs­unternehmen ein gängiger Ansatz war und ist, sehen viele zunehmend die Notwendigkeit, die Zusammenarbeit zwischen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu fördern. WorldatWork, der weltweit führende Verband für die Vergütung von Vertriebsmitarbeitenden, berichtet, dass 83 Prozent der von ihm befragten Vertriebs­organisationen Teamanreize, die die Zusammenarbeit fördern, sehr schätzen.

Natürlich ist es für Unternehmens­leiterinnen und -leiter möglich, eine Anreiz­strategie zu entwickeln, die beide Arten von Anreizen miteinander in Einklang bringt. Es ist jedoch wichtig zu verstehen, dass ihre widersprüchliche Natur zu Spannungen führen kann. So können beispielsweise individuelle Anreize die Vertriebsmitarbeitenden dazu ermutigen, sich von ihren Kolleginnen und Kollegen beraten zu lassen, sie aber davon abhalten, im Gegenzug Ratschläge zu erteilen. Im Extremfall ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass sie unaufrichtige oder schlechte Ratschläge erteilen, da sie in erster Linie daran interessiert sind, ihre eigene Leistung im Vergleich zu ihren Kolleginnen und Kollegen zu verbessern.

Im Gegensatz dazu fördern Teamanreize die Erteilung von Ratschlägen, da die Mitarbeitenden sicherstellen wollen, dass ihre Team­mitglieder so effektiv wie möglich arbeiten, und verringern gleichzeitig die Häufigkeit, mit der Ratschläge eingeholt werden, da die Arbeitnehmer­innen und Arbeitnehmer weniger auf ihre eigene Leistung konzentriert sind.

Vor diesem Hintergrund hat der Lehr­stuhl für Business-to-Business Marketing, Sales & Pricing zusammen mit Kolleginnen und Kollegen der Universität Münster, der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und anderen eine Studie zur Literatur über soziale Netzwerke im Vertrieb vorgelegt, in der untersucht wird, wie die Arbeits­platz­umgebung reagiert, wenn beide Arten von Anreizen gleichzeitig angewendet werden. Angesichts der zunehmenden Bedeutung starker Netzwerke für die Leistung von Vertriebsmitarbeitenden beleuchteten die Autoren insbesondere, wie sich die gleichzeitige Anwendung beider Ansätze auf die Wahrscheinlichkeit auswirkt, dass Mitarbeiter regelmäßig Ratschläge erteilen und nachfragen.

Die Autorinnen und Autoren führten eine bundes­weite Befragung in Zusammenarbeit mit dem Vertriebsinnendienst eines Unternehmens der Befestigungs- und Montagetechnik durch. Zur Über­prüfung ihrer Hypothesen stützen sie sich auf Netzwerkdaten von 540 Verkäufern.

Die Ergebnisse der Studie bieten wichtige Er­kenntnisse für Managerinnen und Manager. Die Autorinnen und Autoren stellen fest, dass die Einführung von Teamanreizen auf breiter Ebene an Arbeits­plätzen, an denen die Mitarbeitenden an individuelle Anreize gewöhnt sind, ein schwieriges Umfeld schafft, in dem sowohl Rivalität als auch Zusammenarbeit gefördert werden. Um dieses Spannungs­feld zu umgehen, empfehlen sie einen gezielten Ansatz mit verschiedenen Arten von Anreizen für bestimmte Aufgaben.

So können Vertriebsleiterinnen und -leiter beispielsweise separate Teamboni oder Belohnungen zur Förderung von Cross-Selling- oder Team-Selling-Aktivitäten bereitstellen. Dies würde den Austausch von Kunden- und Produkt­informationen sowie den kollegialen Austausch von Ratschlägen in schwierigen Verkaufssituationen erleichtern. Gleichzeitig könnte die Leistung bei solchen Gelegenheiten von der Gesamtrangliste oder dem Wettbewerb ausgeschlossen werden, der sich auf die individuellen Leistungen konzentriert. Auf diese Weise können die Führungs­kräfte sicherstellen, dass Wettbewerbsmotive der Zusammenarbeit nicht im Wege stehen.

Eine weitere Möglichkeit, die in der Praxis nur selten angewandt wird, ist die Schaffung von Anreizen für die Zusammenarbeit durch die Aufnahme von Ratgebern in die individuelle Bestenliste. So können z. B. die Gewinnerinnen und Gewinner eines Verkaufswettbewerbs aufgefordert werden, ihre Helferinnen und Helfer, Beraterinnen und Berater zu erwähnen, und diese Mitarbeitenden erhalten dann Anerkennung und eine Belohnung für ihre Unterstützung.

Eine dritte Möglichkeit besteht darin, dass Unternehmen Mentoren­programme einrichten, bei denen Spitzenvertriebsmitarbeitende mit weniger leistungs­starken Kolleginnen und Kollegen oder mit neu eingestellten Mitarbeitenden zusammenarbeiten, um ihnen zu helfen, ihre Leistung zu verbessern, und im Gegenzug einen Bonus oder eine Teilprovision für die ersten zwei oder drei erfolgreichen Verkäufe ihres Mentees erhalten. Diese Methode wird in einigen Unternehmen zwischen Managerinnen und Managern und neuen Mitarbeitenden angewandt, sie könnte aber auch unter Gleichgestellten eingesetzt werden.

Frühere Studien haben ergeben, dass Vertriebsmitarbeiter, die schon länger im Unternehmen tätig sind, seltener um Rat gefragt werden. Aus diesem Grund schlagen die Autoren vor, dass Manager, die die Inanspruchnahme von Ratschlägen in ihren Vertriebseinheiten erhöhen wollen, die Einführung horizontaler Karrierewege für Vertriebsmitarbeiter in Betracht ziehen sollten. Anekdotische Belege deuten darauf hin, dass die Be­förderung von Mitarbeitern ausschließlich auf der Grundlage ihrer Leistung nicht immer der vorteilhafteste Ansatz für das Unternehmen insgesamt ist, so dass es effektiver sein kann, alternative Entwicklungs­pfade einzuführen.

Die Ergebnisse der Autorinnen und Autoren bestärken diese Ansicht. Sie stellen fest, dass Vertriebsmitarbeitende, die schon länger im Unternehmen sind, eher Ratschläge erteilen als suchen. Vertriebsmitarbeitende, die lange Zeit in derselben Abteilung gearbeitet haben, geben jedoch seltener Ratschläge an ihre Kolleginnen und Kollegen weiter. Managerinnen und Manager könnten diesen Vertriebsmitarbeitende Möglichkeiten anbieten, die sich auf die horizontale Entwicklung konzentrieren, um natürliche Ableger ihrer derzeitigen Aufgaben zu finden und so eine effektivere, sozial verbundene und unterstützende Salesforce zu schaffen.

Zurück