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„Mit unserem Start-up wollen wir die Behandlung von Herzinsuffizienz revolutionieren“

Technologische Innovationen und Management – in diesen Bereichen lehrt und forscht Juniorprofessor Dr. Marc Lerchenmüller an der Fakultät BWL der Universität Mannheim seit dem Jahr 2019. Außerdem ist Lerchenmüller als Gründungs­mitglied des biotechnologischen Start-ups AaviGen erfolgreich in der Praxis engagiert. Gemeinsam mit vier Mitgründern arbeitet er an der Entwicklung kurativer Gentherapien zur Behandlung von Herzinsuffizienz. Herzinsuffizienz – auch bekannt als Herzmuskelschwäche – ist die häufigste Todesursache in der westlichen Welt. Bisher existiert keine kurative Therapie, die Erkrankung ist nicht vollständig heilbar. FORUM-Online sprach mit Lerchenmüller über das Start-up und die Schnittpunkte mit seiner wissenschaft­lichen Arbeit.

FORUM: Wie kam es dazu, dass Sie neben Ihrer akademischen Laufbahn auch als Gründer aktiv wurden?

Lerchenmüller: Ursprünglich kam ich aus der Industrie zur Universität. Nach meiner Tätigkeit als Unternehmens­berater mit Pharmaschwerpunkt für die Boston Consulting Group in New York habe ich über die Promotion meine Passion für die akademische Forschung und Lehre entdeckt. Das Engagement in Gründungen erlaubt mir in gewissem Maße beide Welten zu verbinden. Unsere Gründung AaviGen erforscht und entwickelt eine Idee – ähnlich wie man Ideen in der Wissenschaft entwickelt – und nutzt dann Kenntnisse aus der Praxis, um die Idee umzusetzen. Mich persönlich reizt diese Kombination!

Außerdem war ich schon vor Beginn meiner wissenschaft­lichen Karriere in die Gründung eines Start-ups involviert: Ich war Mitglied des Gründerteams der InoCard GmbH, eines biotechnologischen Start-ups, das ebenfalls das Ziel einer kardiovaskulären Gentherapie verfolgt hat. InoCard wurde aber 2014, vor meiner akademischen Laufbahn, an die UniQure verkauft, die damals als erstes Unternehmen überhaupt eine Gentherapie von den Behörden zugelassen bekam. Interessanterweise bestand allerdings schon damals eine enge Verbindung zur Universität Mannheim: Das von Prof. Woywode geführte Mannheim Center für Entrepreneurship und Innovation hat unsere Business-Plan-Entwicklung tatkräftig mit einem Studierenden-Team unterstützt!

FORUM: Wie weit ist die Entwicklung der therapeutischen Methoden zur Behandlung von Herzinsuffizienz, die AaviGen anstrebt?

Lerchenmüller: Wir sind in einem frühen Stadium, der sogenannten präklinischen Entwicklung, in der wir die prinzipielle Sicherheit und Effizienz der Therapie testen. Wir haben für diese Phase fünf Millionen Euro Risikokapital am Markt einwerben können, die unsere operative Tätigkeit für die nächsten drei Jahre tragen wird. Wir sind sehr froh mit der DH-LT, einer Investment­gesellschaft des SAP Gründers Dietmar Hopp, einen renommierten Investor haben gewinnen zu können, der darüber hinaus der Region mit ihren universitären Standorten sehr verbunden ist. 

FORUM: Ihrer Meinung nach, wie weit wird die Entwicklungs­arbeit von AaviGen in fünf Jahren fortgeschritten sein?

Lerchenmüller: Wir sind zuversichtlich, dass wir in fünf Jahren den Zulassungs­prozess für die klinischen Tests der ersten Therapie einleiten können. Das medizinische Problem, dass die AaviGen mit ihrer Technologieplattform lösen möchte, hat das Potential, die Therapie verschiedener Formen der Herzmuskelschwäche zu revolutionieren. Als echte kurative Therapie steht gegenwärtig nur die Herztransplantation zur Verfügung, die aber weniger als 0,005% der schwerkranken Patienten erreicht. Der von uns verfolgte Gentherapie-Ansatz würde es ermöglichen, auf Basis überzeugender Sicherheits- und Effizienzdaten aus der präklinischen Entwicklung, die ersten kranken Patienten in klinische Studien aufzunehmen und bei positiven Resultaten möglicherweise vielen Menschen eine neue Behandlungs­option zu geben.   

FORUM: Welche Effekte hat Ihre Forschungs­arbeit auf Ihre Arbeit bei AaviGen und wie wirkt sich Ihr Engagement für AaviGen wiederum auf Ihre Tätigkeiten am Lehr­stuhl aus?

Lerchenmüller: Der überwiegende Teil meiner Arbeit für AaviGen profitiert von Erfahrungen, die ich in meiner Tätigkeit für die Boston Consulting Group gewinnen durfte. Dennoch empfinde ich meine Forschungs­arbeit und die Aufgaben in der AaviGen als sich gegenseitig befruchtend. Beispielsweise entstehen durch das praxisnahe Verständnis von Innovations­dynamiken in der medizinischen Forschung und Medikamenten­entwicklung neue Forschungs­fragen. Aktuell verfolge ich ein Forschungs­projekt, das hinterfragt, ob mehr Geld zwangs­läufig zu mehr Innovation in dieser forschungs­intensiven Industrie führt. Mögliche Er­kenntnisse aus diesem Projekt könnten für viele Start-ups, die oft um jeden Cent kämpfen müssen, wertvoll sein. Außerdem kann ich mir vorstellen, dass meine Gründungs­erfahrungen zukünftig beispielsweise zu Lehr­formaten beitragen könnten, die unsere Studierenden in Mannheim ansprechen.

Interview: Dr. Liane Weitert / Juni 2021

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