„Die Dividende ändert nichts am Vermögen“ – Prof. Dr. Dr. hc Martin Weber über Mythen der Geldanlage

Der Verhaltensökonom räumt im Interview mit der NOZ mit verbreiteten Irrtümern auf. Die vielleicht überraschendste Erkenntnis: „Die Dividende ändert nichts am Vermögen“, sagt Weber. Denn mit der Ausschüttung sinkt der Kurs der Aktie – und zwar um exakt denselben Betrag. Was bleibt, ist das gleiche Vermögen in einer anderen Form: weniger Aktienwert, mehr Kontoguthaben.
Trotzdem erfreut sich die Dividendenstrategie großer Beliebtheit. Der Grund dafür ist psychologisch: Anleger empfinden regelmäßige Ausschüttungen als verlässliches Einkommen – auch wenn es ökonomisch betrachtet kein Zuwachs ist. Viele Anleger fühlen sich sicherer, wenn sie einen Teil des Gewinns direkt ausgeschüttet bekommen, anstatt ihre Anteile irgendwann selbst zu verkaufen.
Doch diese Sicherheit hat ihren Preis. „Wer wirklich Vermögen aufbauen will, sollte auf thesaurierende Fonds setzen“, so Weber. Denn nur so kommt der Zinseszinseffekt voll zur Geltung – ein zentraler Hebel für langfristigen Vermögensaufbau. Die beliebte Dividendenstrategie dagegen schmälert diesen Effekt, da Erträge nicht automatisch reinvestiert werden.
Warum also halten sich Mythen rund um Dividenden so hartnäckig? Aus Webers Sicht liegt das auch an Begriffen wie „Dividenden-Aristokraten“ – Unternehmen, die seit Jahrzehnten konstant ausschütten. Doch auch diese Stabilität sei keine Garantie für Rendite. „Langfristige Überrenditen durch Dividenden sind ein Mythos“, betont er.
Ein weiterer Trugschluss: die Annahme, Dividenden seien steuerlich attraktiver als Kursgewinne. In Wahrheit unterliegen beide der Kapitalertragsteuer – inklusive Freibeträgen. Symbolische Sachdividenden, wie sie gelegentlich von wenigen Unternehmen angeboten werden, spielen in der Praxis keine Rolle.
Was rät Weber also Anleger*innen, die dennoch auf Dividenden setzen möchten? „Nicht auf die Rendite allein schauen“, sagt er. Wichtiger sei, dass das Unternehmen solide wirtschaftet und eine realistische Wachstumsstrategie verfolgt. Und vor allem: breit streuen. Günstige, thesaurierende Fonds oder ETFs bleiben aus seiner Sicht der sinnvollste Weg.