Mitarbeitende in ähnlichen Berufen werden sich mit der Zeit immer ähnlicher

Warum bleiben manche Menschen viele Jahre in einem bestimmten Beruf, während andere schneller wieder wechseln?
Die Antwort liegt nicht nur in Gehalt, Zusatzleistungen oder Entwicklungsmöglichkeiten, sondern auch in etwas Subtilerem und Individuellem: ob unsere Persönlichkeiten zusammenpassen. Das Gefühl von Zugehörigkeit – oder dessen Fehlen – kann nicht nur unsere Arbeitszufriedenheit, sondern auch unsere langfristige berufliche Laufbahn beeinflussen. Es geht längst nicht mehr nur um Qualifikationen oder Berufserfahrung. Immer wichtiger werden auch Übereinstimmungen in Werten, Persönlichkeitsmerkmalen und Arbeitsweisen. Der Begriff „Fit“ ist somit weit mehr als ein Modewort im Recruiting – er ist ein zentraler Faktor für beruflichen Erfolg, Zufriedenheit und Verbleib.
Auf Basis von Paneldaten aus den Jahren 2005 bis 2017 haben wir untersucht, wie Persönlichkeitsmerkmale unsere Berufswahl beeinflussen – und umgekehrt. Grundlage unserer Analyse war das SOEP, eine repräsentative jährliche Befragung von rund 20.000 Personen in Deutschland seit 1984, die unter anderem Informationen zu Beruf und Persönlichkeit enthält.
Wir analysierten die Daten von über 11.000 Erwerbstätigen und verglichen sowohl die Ähnlichkeit ihrer Berufsfelder als auch ihre Ausprägungen in den „Big Five“-Persönlichkeitsmerkmalen (Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und Neurotizismus). Personen galten als ähnlich, wenn sie vergleichbare Kombinationen dieser Merkmale aufwiesen; Berufe als ähnlich, wenn sie vergleichbare Aufgaben und Anforderungen beinhalteten.
Unsere Ergebnisse zeigen: Personen mit ähnlichen Persönlichkeitsmerkmalen arbeiten tendenziell auch in ähnlichen Berufen. So weisen beispielsweise Ärztinnen und Ärzte ein ähnlicheres Persönlichkeitsprofil auf wie Pharmazeutinnen und Pharmazeuten – und ein weniger ähnliches wie Gärtnerinnen und Gärtner. Zudem zeigte sich, dass Menschen, die in einem Beruf mit Kolleginnen und Kollegen arbeiten, deren Persönlichkeitsprofile stark von den eigenen abweichen, häufiger den Beruf wechseln.
Viele kennen das: Es ist auf Dauer anstrengend, wenn ein Beruf Verhaltensweisen erfordert, die nicht zur eigenen Persönlichkeit passen. Aufgaben, die den eigenen Stärken und Neigungen entsprechen, fallen uns hingegen leichter. Wer in einem Umfeld arbeitet, das nicht zur eigenen Persönlichkeit passt, empfindet oft ein Gefühl der Unstimmigkeit – was auch die soziale Integration erschweren kann.
Doch was passiert, wenn jemand trotz unterschiedlicher Persönlichkeit langfristig in einem Beruf verbleibt?
Unsere Forschung zeigt: Je länger Personen in einem Beruf bleiben, desto mehr gleichen sich ihre Persönlichkeitsmerkmale denen von Menschen in ähnlichen Berufen an. Es handelt sich also um eine dynamische, wechselseitige Beziehung zwischen Persönlichkeit und Beruf: Persönlichkeitsmerkmale beeinflussen die Berufswahl – und der ausgeübte Beruf formt über die Zeit hinweg wiederum die Persönlichkeit.
Berufliche Entscheidungen werden demnach nicht nur durch Fähigkeiten und Interessen beeinflusst, sondern auch durch die Passung zwischen der Persönlichkeit und dem typischen Anforderungsprofil eines Berufs.
Für Unternehmen ergeben sich daraus wichtige Implikationen: Da Beschäftigte mit stark abweichenden Persönlichkeitsprofilen tendenziell seltener im Beruf verbleiben, können diese Erkenntnisse helfen, Abwanderungsrisiken besser zu erkennen und fundiertere Personalentscheidungen zu treffen.
Auch für die Berufsberatung sind unsere Ergebnisse relevant. Anstatt einzelne Persönlichkeitsmerkmale isoliert zu betrachten, kann es sinnvoll sein, die Ähnlichkeit ganzer Persönlichkeitsprofile heranzuziehen – sowohl zur Auswahl geeigneter Berufe als auch zur Vermeidung weniger passender Alternativen.
Gleichzeitig macht unsere Forschung Mut: Denn selbst wenn eine Person anfangs nicht alle typischen Merkmale eines Berufes mitbringt, kann sich dennoch im Zeitverlauf ein passenderes Profil entwickeln. Dies ist besonders ermutigend für Menschen aus unterrepräsentierten Gruppen oder Quereinsteigerinnen und -einsteiger, die sich von gängigen Stereotypen abschrecken lassen.
Auch bei einem späteren Berufswechsel kann unser Ansatz unterstützen: Wer in ein ähnliches Berufsfeld wechselt, reduziert die Notwendigkeit zur Anpassung und profitiert von bestehenden Stärken.
Insgesamt zeigt unsere Studie, dass Persönlichkeit – neben Kompetenzen, beruflichen Zielen und Unternehmenskultur – ein weiterer bedeutender Faktor für berufliche Passung und Entwicklung ist. Auch wenn der Einfluss der Persönlichkeit oft nur moderat ausfällt, liefert sie wertvolle Hinweise darauf, wie Menschen Arbeit erleben – und wie Arbeitsumfelder die Menschen prägen, die in ihnen tätig sind.