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Mitarbeitende in ähnlichen Berufen werden sich mit der Zeit immer ähnlicher

Von Dr. Claudia Rossetti, Prof. Torsten Biemann und Dr. Katja Dlouhy (Lehr­stuhl für Allgemeine Betriebs­wirtschafts­lehre, Personal­management und Führung)

Warum bleiben manche Menschen viele Jahre in einem bestimmten Beruf, während andere schneller wieder wechseln?

Die Antwort liegt nicht nur in Gehalt, Zusatzleistungen oder Entwicklungs­möglichkeiten, sondern auch in etwas Subtilerem und Individuellem: ob unsere Persönlichkeiten zusammenpassen. Das Gefühl von Zugehörigkeit – oder dessen Fehlen – kann nicht nur unsere Arbeits­zufriedenheit, sondern auch unsere langfristige berufliche Laufbahn beeinflussen. Es geht längst nicht mehr nur um Qualifikationen oder Berufserfahrung. Immer wichtiger werden auch Über­einstimmungen in Werten, Persönlichkeits­merkmalen und Arbeits­weisen. Der Begriff „Fit“ ist somit weit mehr als ein Modewort im Recruiting – er ist ein zentraler Faktor für beruflichen Erfolg, Zufriedenheit und Verbleib.

Auf Basis von Paneldaten aus den Jahren 2005 bis 2017 haben wir unter­sucht, wie Persönlichkeits­merkmale unsere Berufswahl beeinflussen – und umgekehrt. Grundlage unserer Analyse war das SOEP, eine repräsentative jährliche Befragung von rund 20.000 Personen in Deutschland seit 1984, die unter anderem Informationen zu Beruf und Persönlichkeit enthält.

Wir analysierten die Daten von über 11.000 Erwerbstätigen und verglichen sowohl die Ähnlichkeit ihrer Berufsfelder als auch ihre Ausprägungen in den „Big Five“-Persönlichkeits­merkmalen (Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und Neurotizismus). Personen galten als ähnlich, wenn sie vergleich­bare Kombinationen dieser Merkmale aufwiesen; Berufe als ähnlich, wenn sie vergleich­bare Aufgaben und Anforderungen beinhalteten.

Unsere Ergebnisse zeigen: Personen mit ähnlichen Persönlichkeits­merkmalen arbeiten tendenziell auch in ähnlichen Berufen. So weisen beispielsweise Ärztinnen und Ärzte ein ähnlicheres Persönlichkeits­profil auf wie Pharmazeutinnen und Pharmazeuten – und ein weniger ähnliches wie Gärtnerinnen und Gärtner. Zudem zeigte sich, dass Menschen, die in einem Beruf mit Kolleginnen und Kollegen arbeiten, deren Persönlichkeits­profile stark von den eigenen abweichen, häufiger den Beruf wechseln.

Viele kennen das: Es ist auf Dauer anstrengend, wenn ein Beruf Verhaltensweisen erfordert, die nicht zur eigenen Persönlichkeit passen. Aufgaben, die den eigenen Stärken und Neigungen entsprechen, fallen uns hingegen leichter. Wer in einem Umfeld arbeitet, das nicht zur eigenen Persönlichkeit passt, empfindet oft ein Gefühl der Unstimmigkeit – was auch die soziale Integration erschweren kann.

Doch was passiert, wenn jemand trotz unter­schiedlicher Persönlichkeit langfristig in einem Beruf verbleibt?

Unsere Forschung zeigt: Je länger Personen in einem Beruf bleiben, desto mehr gleichen sich ihre Persönlichkeits­merkmale denen von Menschen in ähnlichen Berufen an. Es handelt sich also um eine dynamische, wechselseitige Beziehung zwischen Persönlichkeit und Beruf: Persönlichkeits­merkmale beeinflussen die Berufswahl – und der ausgeübte Beruf formt über die Zeit hinweg wiederum die Persönlichkeit.

Berufliche Entscheidungen werden demnach nicht nur durch Fähigkeiten und Interessen beeinflusst, sondern auch durch die Passung zwischen der Persönlichkeit und dem typischen Anforderungs­profil eines Berufs.

Für Unter­nehmen ergeben sich daraus wichtige Implikationen: Da Beschäftigte mit stark abweichenden Persönlichkeits­profilen tendenziell seltener im Beruf verbleiben, können diese Er­kenntnisse helfen, Abwanderungs­risiken besser zu erkennen und fundiertere Personalentscheidungen zu treffen.

Auch für die Berufs­beratung sind unsere Ergebnisse relevant. Anstatt einzelne Persönlichkeits­merkmale isoliert zu betrachten, kann es sinnvoll sein, die Ähnlichkeit ganzer Persönlichkeits­profile heranzuziehen – sowohl zur Auswahl geeigneter Berufe als auch zur Vermeidung weniger passender Alternativen.

Gleich­zeitig macht unsere Forschung Mut: Denn selbst wenn eine Person anfangs nicht alle typischen Merkmale eines Berufes mitbringt, kann sich dennoch im Zeitverlauf ein passenderes Profil entwickeln. Dies ist besonders ermutigend für Menschen aus unter­repräsentierten Gruppen oder Quereinsteigerinnen und -einsteiger, die sich von gängigen Stereotypen abschrecken lassen.

Auch bei einem späteren Berufswechsel kann unser Ansatz unter­stützen: Wer in ein ähnliches Berufsfeld wechselt, reduziert die Notwendigkeit zur Anpassung und profitiert von bestehenden Stärken.

Insgesamt zeigt unsere Studie, dass Persönlichkeit – neben Kompetenzen, beruflichen Zielen und Unter­nehmens­kultur – ein weiterer bedeutender Faktor für berufliche Passung und Entwicklung ist. Auch wenn der Einfluss der Persönlichkeit oft nur moderat ausfällt, liefert sie wertvolle Hinweise darauf, wie Menschen Arbeit erleben – und wie Arbeits­umfelder die Menschen prägen, die in ihnen tätig sind.

Die vollständige Studie finden Sie hier

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