„Durch die Cum-Ex-Geschäfte werden wir als Bürgerinnen und Bürger um Milliarden betrogen – und das seit Jahrzehnten“

Professor Spengel, Sie waren maßgeblich an der Aufdeckung der Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäfte beteiligt. Wie kamen die illegalen Geschäfte ans Licht?
Einzelne Fälle der Cum-Ex-Geschäfte wurden erstmals 2010/
In den Medien wird meist von einem Schaden von 10 Milliarden Euro für den deutschen Fiskus ausgegangen. Entspricht diese Zahl Ihren Schätzungen?
Wie hoch der Steuerschaden genau ist, weiß niemand. Ich habe für den Untersuchungsausschuss des Bundestages jedoch Daten von der Deutschen Börse für die Jahre 2005 bis 2011 erhalten und diese mit Mitarbeitern ausgewertet. Auf Basis dieser Daten rechnen wir mit 7,2 Milliarden Euro an zu Unrecht zurückerstatteten Steuern. Das ist aber die absolute Untergrenze – denn die Daten waren hoch aggregiert und liegen erst ab 2005 vor. Für die Cum-Cum-Geschäfte rechne ich zusätzlich mit einem Steuerverlust von 25 Milliarden Euro. Insgesamt sprechen wir also von einem Mindest-Schaden von mehr als 30 Milliarden Euro.
Laut einem FAZ-Artikel vom 10. September 2020 wurden bis Ende 2019 nur 1,1 Milliarden Euro zurückgefordert. Rechnen Sie damit, dass der gesamte Schaden noch zurückgezahlt wird?
Da man strafrechtlich bei den Beteiligten eine Vermögensabschöpfung vornehmen kann, ist es durchaus möglich, hier noch sehr viel Geld zurückzuholen. Auch weil die Staatsanwaltschaft aus ihren Ermittlungen eindeutige Erkenntnisse zu den Tätern hat. Betroffen sind beispielsweise mehrere Banken, darunter auch Landesbanken.
Damit möglichst viel des entstandenen Schadens gerade bei Cum-Cum-Geschäften zurückgefordert werden kann, muss die Finanzverwaltung aktiv werden und in verdächtigen Fällen unverzüglich Steuerbescheide ändern und Steuererstattungen rückgängig machen. Nur so kann die die Verjährung gehemmt werden.