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Töchter erben ihren Erfindergeist von ihren Eltern – es sei denn, sie haben einen jüngeren Bruder

Augenfarbe, Haarfarbe, Nachnamen, Geld; all diese Dinge können wir von unseren Eltern erben, ob genetisch oder auf andere Wege. Wussten sie jedoch, dass auch Erfindergeist von ihren Eltern vererbt wird?

In den letzten Jahrzehnten hat sich der „Gender Gap“ in MINT Fächern allmählich angenähert. Laut Angaben des Integrated Postsecondary Education Data System (IPEDS) repräsentierten Frauen 45% der Studierenden, die 2020 MINT Fächer belegten, während in 2010 dieser Wert bei 40% lag.

Außerdem zeigen die weltweiten Statistiken einen Anteil von 34% an weiblichen Absolventen im Jahr 2013. Betrachtet man spezifisch die USA, lässt sich erkennen, dass 48% der Absolventen in MINT Fächern Frauen waren.

Trotz dieses Fortschritts kommen die meisten patentierten Erfindungen von Männern: Erfinderinnen umfassen nur rund 17% der globalen Erfinder Population, laut World Intellectual Property Organization data von 2021. In machen Nationen, wie beispielsweise Japan, ist der weibliche Erfinder Anteil so gering wie 10% der Erfinder Population.

Wenn wir annehmen, dass Talent und Kreativität gleichmäßig zwischen den biologischen Geschlechtern aufgeteilt sind, merken wir, dass das Potential bei Mädchen, Erfinderinnen zu werden, während ihrer Entwicklung wohl verloren geht.

Mit den Kollegen Hans Chrsitain Kongsted von der Kopenhagen Business School und Myriam Mariani von der Bocconi Universität, beschlossen wir aus diesem Grund die Rolle des elterlichen Erfindergeistes für den Erfindergeist von Kinder zu untersuchen.

Durch das Verwenden/ Anwenden von Daten von fast 1.2 Millionen dänischen Kindern, die zwischen 1966 und 1985 geboren wurden, betrachteten wir zunächst ob einer, beide oder keiner der Elternteile Erfinder waren und dann ob die Kinder danach auch Erfinder geworden sind. Erfinder konnten wir durch einen europäische Patent Anmeldeliste identifizieren. Ein weiterer wichtiger Beweis, dass das Potential von Mädchen Erfinderinnen zu werden, während ihrer Entwicklung verloren geht, ist das nur 15% von Erfindern aus unserer Probe weiblich waren.

Die Ergebnisse unserer Untersuchung bestätigten, dass Eltern zu haben die Erfinder waren, die Wahrscheinlichkeit erhöhten dass die erst-geborenen Tochter ebenfalls eine Erfinderin geworden ist, doch nur wenn diese keine jüngeren Brüder hatte. Die Anwesenheit eines jüngeren Bruders begrenzt das Ausmaß.

Erst-geborene Söhne vererbten wie auch erst-geboren Töchter ihren Erfindergeist von ihren Eltern, jedoch sind Söhne durch die Anwesenheit eines jüngeren Geschwisterteils nicht negativ eingeschränkt. Die Übermittlung von dem Erfindergeist an eine erst-geborenen Tochter ist auch nicht eingeschränkt wenn sie eine zweit-geborene Schwester haben.

All dies demonstriert was für eine wichtige Rolle das Geschlecht bei der Weitergabe vom Erfindergeist der Eltern zu den Kinder spielt. Es deutet auch darauf hin, dass dieser Verdrängungs­effekt für erstgeborene Töchter nicht einfach auf die Aufteilung der Ressourcen auf mehrere Kinder zurückzuführen ist, sondern vom Geschlecht abhängt, was durch die Ankunft eines zweitgeborenen Bruders für ein erstgeborenes Mädchen deutlich wird.

Eltern scheinen Vermittler zu sein, die geschlechts­spezifische Erwartungen in Bezug auf den Erfolg ihrer Töchter und Söhne als Erfinder formulieren, basierend auf ihrer Interpretation von Erfinderberufen. Diese Erwartungen führen dazu, dass sie Chancen für ihre Kinder schaffen und oder einschränken und ihre Zeit und Ressourcen je nach dem jeweiligen Geschlecht unterschiedlich aufteilen.

Aus unseren Untersuchungen geht hervor, dass Verhaltensweisen, die zu einer geschlechts­spezifischen Berufs- oder Karrierewahl für Kinder führen, schon früh beginnen, sich in der Familie entwickeln und die Chancen der Kinder auch auf anderen Wegen als der Bildung beeinflussen. Daher könnte es hilfreich sein, mehr Frauen zu einem MINT-Studium zu drängen, aber es könnte nicht ausreichen, um die geschlechts­spezifischen Unterschiede bei dem Erfindergeist zu beseitigen oder die Erfinderdemografie zu beeinflussen.

Außerdem reichen Vorbilder allein nicht aus, um die Kluft für die nächste Generation zu schließen: Sie können Bildungs­entscheidungen zwar stark beeinflussen, aber nicht die Weitergabe des elterlichen Erfindergeistes.

Da die Verhaltensweisen die zu geschlechts­spezifischen Berufs- oder Karrierewahlen führen zur Kindheit zurückzuführen, sind sollten wir um die gender gap im Erfinder Bereich zu verkleinern, schon früh eingreifen und die Kinder sowie auch die Eltern ansprechen. Der erste wichtige Schritt besteht darin es Menschen bewusst zu machen, dass stereotypische Denkweisen und geschlechts­spezifische Verhaltensweisen die Gelegenheiten von ihren Kindern minimieren kann.

Ein weiteres wirksames Instrument zur Sensibilisierung ist die Verbreitung von Informationen über erfolgreiche Frauen in männerdominierten Berufen, insbesondere in den MINT-Bereichen. Berichte über Frauenkarrieren in Wissenschaft und Technik, Beispiele für erfolgreiche Forscherinnen und die Rolle des Umfelds bei der Entscheidungs­findung können nützlich sein.

Da Eltern Interpretationen auf der Grundlage von externer Informationen zu entwickeln scheinen, sollten Maßnahmen auch darauf abzielen, den Kontext zu verändern, der diese Informationen hervorgebracht hat. Daher sollte jede Maßnahme, welche die Zahl der Frauen in Wissenschaft und Technik erhöht und ihre Behandlung und Sichtbarkeit verbessert, für die Wahrnehmung von Frauen in MINT-bezogenen und erfinderischen Rollen von Vorteil.

Professorin Dr. Karin Hoisl, Inhaberin des Lehr­stuhls für Organisation und Innovation an der Fakultät BWL der Universität Mannheim

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