Mit Verträglichkeit kann man sich nichts kaufen

Nicht nur in den Wirtschaftswissenschaften, sondern auch in der Psychologie beschäftigen sich Forschende mit Finanzthemen – und sind oft verwundert, wie häufig Personen zu wenig Geld sparen, zu viel ausgeben und dadurch langfristig in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Negativ betrachtete Eigenschaften wie Nachlässigkeit mögen hiermit assoziiert werden. Ein Persönlichkeitsmerkmal, das laut Forschung jedoch mit einem höheren Risiko für finanzielle Schwierigkeiten einhergehen kann, ist hohe Verträglichkeit. Sehr verträgliche Menschen sind beispielsweise freundlich, vertrauensvoll und hilfsbereit.
Die Forschenden Sandra Matz und Joe Gladstone wollten herausfinden warum und wann verträgliche Personen in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Eine Vermutung war, dass sehr verträgliche Personen finanzielle Einbußen haben, da sie stärker auf Kooperation setzen und weniger auf ihren Vorteil bedacht sind. Alternativ nahmen die Forschenden an, dass für Menschen mit hoher Verträglichkeit soziale Beziehungen allgemein im Vordergrund stehen und sie Geld einfach als weniger wichtig erachten. Damit einhergehende finanzielle „Nachteile“ sollten besonders problematisch für Personen sein, die finanziell allgemein nicht gut dastehen.
Ihre Annahmen prüften die Forschenden in mehreren Studien. Befragungen im Vereinigten Königreich von über 3500 Personen bestätigten zunächst, dass Personen, deren Selbsteinschätzung auf höhere Verträglichkeit hinwies, weniger Ersparnisse hatten. Dies konnte in der Tat teilweise darauf zurückgeführt werden, dass sie Geld weniger Bedeutung zuwiesen. Die Neigung zu Kooperation anstatt Wettbewerb wurde in einer der Studien erfasst und schien hingegen keine Rolle zu spielen. Weitere Gründe sollten in zukünftiger Forschung untersucht werden. Die gefundenen Zusammenhänge in diesen – und in den folgenden – Studien waren allerdings nicht durch andere Personenmerkmale erklärbar, welche mit Verträglichkeit zusammenhängen oder die Höhe der Ersparnisse auch beeinflussen können (wie Alter, Geschlecht, Bildungsabschluss oder Arbeitszeit).
Weitere groß angelegte Studien der Forschenden, inklusive einer repräsentativen Stichprobe, belegten zudem, dass finanzielle Schwierigkeiten vor allem verträgliche Personen mit einem relativ niedrigen Einkommen betreffen. Bei einem überdurchschnittlich hohen Einkommen zeigte sich der Zusammenhang zwischen hoher Verträglichkeit und finanziellen Problemen hingegen nicht. Als Anzeichen für finanzielle Schwierigkeiten dienten entweder Angaben der Befragten über ihre Ersparnisse und Probleme wie überzogene Kredite – oder es wurde auf direkte Berichte der Banken zurückgegriffen (mit Einwilligung der Teilnehmenden).
Insgesamt legen alle Studien einen Zusammenhang zwischen Verträglichkeit und dem Risiko für finanzielle Schwierigkeiten nahe, insbesondere für Personen, die finanziell weniger gut dastehen. Allerdings bedarf es beispielsweise Langzeitstudien, um die vermuteten Einflüsse von Verträglichkeit zu untermauern. Interessant wäre ebenfalls, inwiefern verträgliche Menschen finanzielle Probleme bewusst in Kauf nehmen – Ansätze, die sowohl zum Nachdenken als auch zu weiterer Forschung anregen sollten.
Matz, S. C., & Gladstone, J. J. (2018). Nice guys finish last: When and why agreeableness is associated with economic hardship. Journal of Personality and Social Psychology. Advance online publication. doi.org/10.1037/pspp0000220
Redaktion und Ansprechpartner*in¹: Janin Rössel¹, Mona Salwender
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