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Sex ganz unverbindlich!

- Jochen E. Gebauer –

Frauen lehnen One-Night-Stands häufiger ab als Männer, weil sie sich weniger Lustgewinn versprechen.

„Ich habe dich auf dem Campus bemerkt und finde dich sehr attraktiv. Möchtest du heute Nacht mit mir ins Bett gehen?“ Auf diese Weise sprachen im Jahr 1978 attraktive Lockvögel des Forscherduos Russell Clark und Elaine Hatfield Studierende an der Florida State University an. Was war das Ergebnis? Wiederholen Sie das Experiment in Gedanken. Stellen Sie sich vor, Sie würden von einer attraktiven Person genau so angesprochen werden. Wie würden Sie reagieren? Wären Sie typisch für Studierende um 1978, dann würde Ihre Antwort stark von Ihrem Geschlecht abhängen: 75% der Männer sagten „ja“ zum Sex-Angebot. Dahingegen willigte nicht eine einzige Frau ein.

David Buss und David Schmitts evolutionäre „Sexual Strategy Theory“ wird gemeinhin zu Rate gezogen, um diese Ergebnisse zu erklären: Männer willigen auf unverbindliche Sex-Angebote ein, weil sie auf diesem Weg ihre Gene weitergeben können. Die Kosten-Nutzen-Rechnung eines unverbindlichen Sex-Angebots ist für Männer evolutionär gesehen ideal: wenig Kosten (weil keine langfristige Beziehung), aber unter Umständen ein möglicher großer Nutzen. Für Frauen hingegen ist unverbindlicher Sex unter Umständen langfristig kostspielig, und daher unattraktiv.

Eine neue Erklärung für diese Ergebnisse bietet nun Terry Conley, Psychologin der University of Michigan. Nach ihren Erkenntnissen geht der Geschlechtsunterschied nicht auf mehr oder weniger bewusste, geschlechtsspezifische Sex-Strategien zurück. Stattdessen versprechen sich Männer von einem unverbindlichen Sex-Abenteuer Lustbefriedigung und sagen daher, dem Lustprinzip frönend, zu. Frauen hingegen erwarten nur wenig Lustbefriedigung: Ein Orgasmus mit einem neuen Partner ist bei Frauen viel seltener als bei Männern, nämlich nur 0,3 mal so häufig. Außerdem spielt auch der Kraftunterschied zwischen den Geschlechtern für Frauen eine Rolle bei der Entscheidung für oder wider das unverbindliche Abenteuer: Mit einem fremden Mann mitzugehen birgt stets die Gefahr eines ungewollten Übergriffes. Für Männer ist ein unverbindliches Sex-Angebot daher attraktiver als für Frauen, ganz unabhängig von evolutionären Überlegungen.

In mehreren Gedankenexperimenten testete Conley ihre Lust-Theorie. Im Standard-Gedankenexperiment, an dem auch Sie zu Beginn teilgenommen haben, fand sich der klassische Geschlechtsunterschied. Sobald Conley jedoch den erwarteten Lustgewinn für beide Geschlechter gleich groß erscheinen ließ, wollten Frauen ebenso häufig wie Männer auf das Angebot eingehen. Dieses Ergebnis trat in ganz verschiedenen Bedingungen auf, insbesondere wenn der potentielle Sex-Partner (a) für heterosexuelle Teilnehmende gleichgeschlechtlich , (b) für homosexuelle Teilnehmende gleichgeschlechtlich, (c) eine attraktive Berühmtheit (Angelina Jolie oder Johnny Depp) oder (d) eine wenig attraktive Berühmtheit war (Roseanne oder Donald Trump).

Viele dieser Ergebnisse sind nur mit Conelys Lust-Theorie, nicht jedoch mit der Sexual Strategy Theory vereinbar. (a) Gleichgeschlechtlicher Sex unter Heterosexuellen verspricht generell kaum Lustgewinn. (b) Unter Homosexuellen ist die Gefahr eines Übergriffs bei gleichgeschlechtlichem Sex für beide Geschlechter gleich groß. (c) Johnny Depp erzeugt bei Frauen genauso große Lust wie Angelina Jolie bei Männern. (d) Donald Trump erzeugt bei Frauen genauso wenig Lust wie Roseanne bei Männern. Zumindest bei One-Night-Stands scheinen daher beide Geschlechter eher nach dem Lustprinzip anstatt auf der Grundlage evolutionärer Überlegungen zu entscheiden.

Conley, T. D. (2011). Perceived proposer personality characteristics and gender differences in acceptance of casual sex offers. Journal of Personality and Social Psychology, 100, 309–329.

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